Was motiviert die Schüler:innen?
Kurzum, wir hatten bald das nötige Know-How, Tipps sowie Tricks und bewerteten damit tatsächlich stattgefundene Zeitzeugeninterviews, die wir in verteilten Rollen nachsprachen.
Vorstellungsrunde Erwartungen...
Nachdem wir uns einen Überblick übers Gelände vom Kommandoturm aus verschafft hatten, starteten wir selbstständige Erkundungsgänge zum Thema Zoll und Einreise. Alles ist noch Original, der Ablauf war sehr streng und rigide.
Der Kommandoturm...
Das Arbeiten machte uns hungrig und dort, wo zu DDR Zeiten nur Stasioffiziere sein durften und ein- und ausgingen, kochten wir Spaghetti.
Im letzten Teil erarbeiteten wir Fragen für unsere iPad-Challenge und führten kleine Interviews mit Besuchern. Erstaunlicherweise fingen wir viele interessante wie auch sehr emotionale O-Töne ein. Wir hätten nicht gedacht, wie sehr dieser Teil der Geschichte Deutschlands die Menschen immer noch bewegt.
Fred W. und Sohn durchbrachen am 30. August 1973 die Grenzsperre mit einem LKW. Alles schien geglückt, die Freiheit nahe, da traf sie eine Rollsperre und tötete beide. Insgesamt gab es 4 Rollsperren in Marienborn. Sie lagen verborgen und waren per Knopfdruck leicht zu aktivieren. Jede Rollsperre war in der Lage einen 50 Tonnen LKW bis zu einer Geschwindigkeit von 80 km/h zu stoppen. Zeitungsnotiz: Tragischer Unglücksfall …
Daniel M. ging 1977 zu Fuß von Magdeburg zum Rasthof Börde und versteckte sich unter einem tschechischen LKW. Daniel hatte berufliche Probleme. An der Grenzstelle Marienborn wurde er von einem Spürhund entdeckt. Bei der anschließenden Hausdurchsuchung fand man weitere detaillierte Grenzbeschreibungen. Er wurde verurteilt, die Haftzeit für Republikflucht lag bei 2-3 Jahre.
Escamillo G. hatte ein geteiltes Elternhaus, sein Vater blieb im Osten, seine Mutter war in der BRD. Er selbst blieb auf das Drängen des Vaters im Osten. Als Erwachsener bekam er Aussicht auf Flucht mit seiner Familie. Aufgrund des Transitabkommens mit der BRD wurde an der Grenze weniger kontrolliert. 1978 stieg er mit seinen drei Kindern und seiner hochschwangeren Frau in ein Fluchtauto, die Kinder wurden ruhig gehalten, das Schweigen und Stillhalten wurde ihnen als Spiel verkauft, die Anspannung war groß. An der Grenze wurden sie heraus gewunken und entdeckt, der Fluchthelfer hatte mit den falschen Leuten über das Fluchtvorhaben geredet. Escamillo und seine Frau wurden zu drei Jahren verurteilt und inhaftiert, die Kinder kamen in Obhut. Während der Haft wurde Escamillo als Stasimitarbeiter angeworben, er musste Inhaftierte bespitzeln, dafür kamen seine Frau und Kinder frei.
Es wurde uns allen klar, Fluchtentscheidungen hatten große Folgen für das Umfeld, die Familie, für Verwandte und Freunde. Die Menschen wurden kriminalisiert und ausgegrenzt, politisch Andersdenkende galten als Kriminelle. Die DDR war ein undemokratischer Staat, denn Meinungsfreiheit war nicht möglich. Die Akteneinsicht mit Originaldokumenten, wie Fotos und Zeugenaussagen fanden alle spannend und interessant. Anschließend ging es um Grenzen heute und wie sie uns direkt betreffen.
Dann öffnete uns Ingo die Garagen der Gedenkstätte, dort stehen immer noch die sogenannten Täterfahrzeuge und wir staunten nicht schlecht. Wir durften in alle einsteigen und uns hinter das Steuer setzen. Wir begutachteten die Motoren und Ingo erklärte uns technische Details und den Einsatz.
Am Nachmittag fuhren wir nach Quedlinburg und besuchten das seit 922 urkundlich erwähnte Fachwerkstädtchen. Quedlinburg war Königspfalz und lange Zeit der Sitz weltlicher Herrscher, seit 1994 ist die Stadt UNESCO Kulturerbe. Der Abend klang mit Kino im Dachgeschoss aus.
Das Interview folgt in ganzer Länge auf unserem Instagram Kanal @herausforderung_grenze_2022.
Schaut doch gerne mal vorbei! 😊
Tag 7: Samstag, 10.09.22
Beladen mit Kameras und Stativen klingelten wir bei - Ekke Maaß- Deutsche Kaukasische - Gesellschaft, dann ging es in die Wohnung von Ekke, sie liegt im Hinterhaus.
Es erwartet uns ein gedeckter Abendessenstisch inmitten von Büchern und Bildern. Alle staunen. Ekke erklärt, er habe für uns Salat, Käse und Chatschapuri, eine Spezialität der georgischen Küche, gebacken.
Ekke ist ein singender Zeitzeuge, passend gab es zwischendurch immer wieder Lieder auf der Gitarre und auf seinem alten Harmonium.
Tag 10: Dienstag, 13.09.22
"Oh nein, ich habe verschlafen – ich muss doch noch Frühstück machen´´, dachte ich. Ich schaute auf meine Uhr, da stand 7:58Uhr. ´´Jetzt muss ich minus 28 Minuten rechnen, da meine Uhr vor geht, also 7:30 Uhr. Mist – um 7:30Uhr gibt es Frühstück - ich liege aber noch im Bett – Was jetzt? ´´
Ich entschied mich dafür im Schlafanzug in die Küche zu rennen. Da klopfte es aber schon an der Tür. Die Mädels wollten wissen, wo ich bin. Und wann es Frühstück gibt? Ich erklärte ihnen, dass ich verschlafen hatte. ,,Jetzt aber zackig in die Küche!!´´
Unten angekommen drehte ich den Backofen auf 220°C – für die Brötchen. Während der Backofen aufheizte, bereitete ich den Rest vor. ,,Also Müsli raus, Aufstrich raus, Käse & Wurstplatten machen und den Kaffee kochen.´´
Jemand kommt in die Küche. ,,kein Plan – Wer?. Ich sage, wie müde ich bin. Ich habe verschlafen, Frühstück gibt es erst in 15 Minuten!´´ Nach dem Frühstück drängelte Uli, unser Lehrer: ,,Kommt, Kommt – wir müssen los um 8:30Uhr haben wir einen Termin.´´
Wir fuhren ins Paläon. ,,Das Paläon ist ein Museum im Nachbarort Schöningen, in Niedersachsen. Dort wurden im Tagebau Speere aus der Steinzeit entdeckt.
Angekommen am Museum, standen wir beim Eingang vor der geschlossenen Eingangstür. ,,Was jetzt?´´
Zwischenzeitlich dachte ich: ,,Vielleicht sind die Mitarbeiter des Museums nicht da und ich kann weiter schlafen.´´
Nein, die Tür ging auf, nachdem wir die Klingel gedrückt hatten. „Herzlich Willkommen im Paläon in Schöningen“, das sagte eine nette Mitarbeiterin. Nachdem sie uns einen Überblick über das Museum gegeben hatten, gingen wir über eine Treppe in die Ausstellung. 51 Stufen, jede Stufe war ein Zeitsprung von 6000 Jahre rückwärts. Oben angelangt waren wir 306 000 Jahre zurück in der Erdgeschichte. Eine Panoramawand zeigte die Vegetation und die Tiere, die damals lebten. Blau stand für Eiszeiten und Grün für Warmzeiten. „In meinem Kopf ist hängengeblieben, dass die Eiszeiten ungefähr einige 100 000 Jahre dauerten, die Warmzeiten ca. 20 000 Jahre.“
„Momentan sind wir seit 12 000 Jahren in einer Warmzeit“, erklärte die Mitarbeitern. „Sogar Affen lebten hier“. Nach einem letzten Blick über den ehemaligen Tagebau ging es endlich raus. Mit nachgebauten Steinzeitwaffen, wie Speere, Katapultpfeile und Pfeil und Bogen, aus versuchten wir einen Wolf aus Plastik zu erlegen. „Betonung liegt auf versuchten, wir wären wahrscheinlich alle verhungert oder vom Wolf selbst gefressen worden.“
Danach besuchten wir Künstler in Hötensleben. Zeichnungen, Skulpturen, Skizzen und Wurzelwesen des russischen Künstlers Juri ließen uns stauen. „Die Bilder fand ich sehr, sehr beeindruckend, aber meinen Geschmack trifft es nicht ganz. Juri hatte mit seiner Frau in Hamburg und Bremen gelebt. Wie er in das 3500 Seelen Dorf Hötensleben kam, konnte er uns nicht sagen.
Nach dem Mittagessen klärten wir Meinungsverschiedenheiten. Wenn man so lange zusammen unterwegs ist, kommt das schon vor. Zu den folgenden drei Zeitzeugengesprächen war alles wieder geklärt. Zwei Interviews führten wir parallel, das dritte kam anschließend.
Der erste war Peter, den wir interviewt haben. Er kam etwas früher als erwartet, so dass wir noch ein spontanes Vorgespräch führen konnten. Bei diesem sind wir unsere vorbereiteten Fragen durchgegangen und bekamen einen ersten Einblick in seine Lebensgeschichte.
Als die Technik bereit war konnten wir auch schon mit dem Interview starten. Er erzählte uns seine Geschichte. Er wollte 1972 nur von einem gemütlichen Abend nach Hause laufen und war dabei schon etwas angetrunken. Zu spät bemerkte er, dass er falsch abgebogen war. Plötzlich schossen die Grenzer auf ihn. Er wurde zum Glück von keiner Kugel getroffen, fiel aber vor Schock zu Boden. Peter hatte sich der Grenze zu weit genähert, was schon als versuchte Republikflucht galt. Er wurde festgenommen, musste viele Prozeduren über sich ergehen lassen und Zwangsarbeit leisten. Bei seinem Prozess im Frühjahr 1973 wurde er zu einem Jahr und 6 Monaten Haft verurteilt. Nach seiner Haft musste er sich der 1400 km langen innerdeutschen Grenze 40km fernhalten. Sein ganzes Leben änderte sich. Nach seiner Haft lernte er seine Frau kennen, ohne die er alles nicht geschafft hätte. Sie hat mit ihm die schlechten Zeiten und seine traumatischen Folgen der Haft durchgestanden. Nach der Wende zogen Peter und seine Frau, im Jahr 1999, zurück in seine Heimat Hötensleben. Dort wohnen sie heute noch. Er erzählte uns von seinen psychischen Folgen und gab uns sehr private Einblicke in sein Leben. Die Offenheit war für uns überraschend. Nach dem Interview übergab er uns noch 2 Originale Passierscheine aus der DDR, darüber freuten wir uns sehr. Man bekommt nur selten noch solche Originale zu Gesicht. Das Interview war emotional und es berührte uns, dass uns Peter so viel anvertraute.
Zeitgleich zu Peters Interview war Uta dran, die Friseurin in Hötensleben war.
„Zusammen mit Sandra und Luzie durften ich Uta interviewen.“ Sie ist 1964 geboren, ging mit 16 als Dekorateurin in die Lehre in Bitterfeld. Dort wollte sie eigentlich bleiben, ihr damaliger Freund und Ehemann wollte aber wieder zurück nach Hötensleben. Uta arbeite eine Zeit lang in der Nähe. Später erst schulte sie um und wurde Friseurin, bis zur Rente arbeitete sie. Sie erzählte uns sehr viele Geschichten aus der DDR und wir konnten sie alles fragen.
Das ganze Interview gibt es auf Instagram und am Herausforderungsfest. Aufgrund von technischen Problemen wurde das dritte Interview mit René, dem Vorsitzenden des Grenzdenkmalvereins, verschoben.
Kurz vor dem Abendessen fuhren wir zur ehemaligen Grenze, Uli hatte den Schlüssel für den Wachturm besorgt und wir gingen die steilen Treppen nach oben, um von dort auf das Schussfeld zu sehen. In der Ferne konnte man sogar den Brocken im Harz sehen, alles war noch so erhalten wie früher. Wir bekamen ein spontanes Angebot eine Drohnenaufnahme von uns und dem Grenzgebiet zu machen. Die Bilder und Videos sind fantastisch geworden.
Nach dem Abendessen haben wir die Finanzen gecheckt und unsere Instagram Posts hochgeladen.
Als es dunkel wurde, sind wir mit der Erlaubnis des Pfarrers und ehemaligen Bürgermeisters in die Barockkirche gegangen und haben Orgel gespielt. Im Großen und Ganzen bekommt der Tag aus meiner Sicht die Note gut.
Den Start in den heutigen Tag bildete ein von Ben und Léon zubereitetes leckeres Frühstück. Der Inhalt ist bereits Regelmäßigkeit geworden - leckere Brötchen mit Käse & Wurst, Müsli und frisch gekochte Eier.
Gegen neun Uhr brachen wir zu einer einstündigen Autofahrt auf, deren Ziel es war, uns zu unserem Hauptprogrammpunkt, der Gedenkstätte Moritzplatz in Magdeburg zu bringen. Diese ist in einem ehemaligem Stasi Knast untergebracht.
Empfangen wurden wir dort vom Leiter der Gedenkstätte, Dr. Daniel Bohse, welcher uns durch das ehemalige Gefängnis führte. Dieser verschaffte uns Einblicke in die Zeit der DDR und das System der ehemaligen Haftanstalt.
Im Laufe des Tages sollte es sich folglich als richtig erweisen, was man auch in den Google Rezension lesen kann: ,,Wer mehr über die DDR erfahren möchte, ist hier richtig´´
Zuerst bekamen wir das Schleusensystem der Stasi-Untersuchungshaft vorgestellt, welches dafür entwickelt worden war, die immer größer werdenden Fahrzeuge sicher in das Gebäude zu leiten und das Ausbrechen nahezu unmöglich zu machen. Zu DDR Zeiten waren bis zu 100 Gefangene hier und fast genau so viele Mitarbeiter. Darunter waren auch Stasi Spitzel, die als Zellenkameraden eingeschleust wurden, um Informationen zu entlocken, welche man durch das dort übliche Verhör nicht bekam.
Im Vordergrund aller Aufgabenbereiche der Stasi-Mitarbeiter lag das Entlocken von Geständnissen zu Taten, die die Beschuldigten oftmals nicht in solchem Ausmaß oder gar nicht begangen hatten. Ziel war es “ staatsgefährdende Persönlichkeiten “ wegzuschließen, wenn diese nicht mit den Ideologien der DDR übereinstimmten. Man war auch schon dann eine staatsgefährdende Person, wenn man einen einfachen Ausreiseantrag gestellt hatte. Die Insassen wurden mit den Methoden der Mitarbeiter psychisch gebrochen und zermürbt.
Neben sämtlichen Einrichtungen des Gebäudekomplexes beschäftigten wir uns am Ende mit zwei Interviews von ehemaligen Insassen, die über ihre Geschichten berichteten. Sie erzählen uns über ihre U-Haft in Magdeburg, warum sie verhaftet wurden und über ihr Urteil.
Im Anschluss an die Führung gingen wir bei einem von Herrn Bohse empfohlenen Italiener zum Mittagessen und besuchten danach noch den Magdeburger Dom. Dort trafen wir noch Dr. Susanne Frisch, die Leiterin der Gedenkstätte Deutsche Teilung, welche uns am Vortag ermöglichte, in den ehemaligen Wachturm zu gehen.
Als wir wieder in Hötensleben waren, fingen wir an, alles für den bunten Abend vorzubereiten. Wir machten Essen, stellten die Tische, bereiteten unser Programm vor und putzten. Gegen 19:00 Uhr kamen unsere Gäste und kurz darauf konnten wir auch schon starten. Jeder von uns hatte zuvor ein Spiel vorbereitet, welches wir an dem Abend gemeinsam spielten. Es wurde lecker gegessen und es wurden schöne Gespräche geführt. Als unsere Besucher nach und nach gingen, merkte man erst, dass die Zeit in Hötensleben fast vorbei ist. Wir haben uns von unseren neuen Freunden verabschiedet, da wir die meisten vor unserer Abreise nichts mehr sehen. So gegen 23:00 Uhr haben sich all unsere Gäste verabschiedet und wir machten uns ans Aufräumen. Die letzten von uns haben noch bis 00:30 aufgeräumt und dokumentiert. Danach sind wir nur noch müde ins Bett gefallen. Der bunte Abend war ein gelungener Abschied, bei dem wir alle viel lachten. Morgen können wir zum Glück ausschlafen!
Freitag, den 16.09.22
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